Transkription von Hartmann 2015
Rot = fehlende […] oder womöglich falsche (?) Transkriptionspassagen
>> Minute 13:06
Das Problem besteht mit diesen beiden Lizenzbedingungen, die insbesondere im geisteswissenschaftlichen Bereich – aber auch sonst – von allen Beteiligten aus verschiedenen Motiven heraus […]. Nämlich: Intuitiv sagen viele „wir wollen eine wirtschaftliche Nachnutzung erlauben“ und zweitens „wir wollen auch eine Bearbeitung erlauben“. Erstens: Sie sehen, es ist nicht compliant zu Open Access im Rahmen der Berlin Declaration. Das heißt, wenn Sie Förderplätze, Fördergeber, Publikationsfonds, was auch immer haben und ich wäre derjenige, der das juristische Assessment zu machen hat, ob Sie sich an die Vorgabe halten Relativ einfache […]: Nein, sie halten sich nicht daran. Also kein Open Access. Weder Open Access mehr als Zugang, sondern Zugang und umfassende Nachnutzungsmöglichkeiten. Das ist die eine Regelung. Jetzt mag’s da trotzdem Zusammenhänge geben, wo Sie aus hoffentlich guten Gründen diese NC/ND-Klausel wählen und dann wär‘s ja mein Job zu sagen „die funktionieren“ und ich kann Ihnen sagen, es ist in der Juristerei ein ganz großes Problem und ich habe Ihnen dazu einen sehr aktuellen und spannenden Fall mitgebracht: Da geht es darum, dass das Deutschlandradio, ich wiederhole, das Deutschlandradio, von Flickr ein Foto genommen hat, um damit einen Textbeitrag auf deutschlandradio.de zu illustrieren. Dieses Foto war lizenziert unter CC BY NC (Non Commercial, NC). Vielleicht können wir auch gleich eine Abstimmungs-Probe machen? Das Deutschlandradio, macht das eine kommerzielle Nutzung? Wer meint „ja“, den bitte ich, sich jetzt zu melden. Das Deutschlandradio. Wer sagt „nein, das Deutschlandradio macht keine kommerzielle Nutzung?“ […] Um es kurz zu machen: Ich weiß es auch nicht, ja. Und jetzt kommt’s noch schlimmer: Im Universitätsalltag und selbst bei Max Planck – die ja […] 100% öffentlich finanziert sind, wir sind laufend in Partnerschaften, Fördervereinen usw. und ich kann Ihnen nicht sagen „wo beginnen kommerzielle Nutzungen, wo enden die?“ Wo ich aus Verlagssicht – und das hört man, wenn man bei Anhörung des deutschen Bundestags ist – ausgesprochen und unausgesprochen immer wieder: Wovor haben Rechteinhaber/Verleger regelmäßig Sorge? In Wahrheit nicht vor den Fördervereinen, sondern vor…Den Internetgiganten! Ja, also Google und Co. als kommerzielle Nutzungen. Das ist die Sorge von auch Verlagsverbänden/Rechteinhabern, aber die Be..duldungen?, die hier gebracht werden, die sind kaum beantwortbar. Nun ist es so: Ich kann Ihnen hier eine Antwort eines Gerichtes mitteilen, denn der Fotograf hat tatsächlich geklagt und – Achtung! Das sollten Sie sich auf der Zunge zergehen lassen – das Landgericht Köln hat zunächst die geantwortet auf die Frage „Was ist eine kommerzielle Nutzung im Sinne von CC?“: „Es ist darunter eine rein private Nutzung zu verstehen“. Sie können sich jetzt selbst ausdenken, was das für wissenschaftliche Nutzungen heißt. Nur eine rein private Nutzung. Das Deutschlandradio hat dann dankenswerterweise das zur nächsten Instanz gebracht. Das Oberlandesgericht, das hat dann etwas differenzierter geschaut, aber auch hier zunächst die klare Aussage „Nur, weil das Deutschlandradio nicht gewinnorientiert arbeitet oder arbeiten muss, heißt das nicht, dass es schon nicht kommerziell ist. Man muss eine Gesamtbewertung machen“ usw. usw. Das ist ganz interessant, und zwar haben wir gestern gehört, Urheberschutz bedeutet ja „im Zweifel zugunsten des Urhebers“, in dubio pro autore, ja. Hier wurde es umgedreht: Die Zweifel gehen zu Lasten des Urhebers und begründet hat man das mit AGB. Ja, dieser CC-Lizenzvertragstext ist AGB-Recht. Ich werde Ihnen gleich noch eine weitere Crux zeigen, warum jetzt das Deutschlandradio trotzdem nicht Recht bekommen hat. Als Zwischenfazit möchte ich nur zu dieser – insbesondere in den Geisteswissenschaften – sehr beliebten Non Commercial-Klausel Ihnen mitgeben, und ich beschäftige mich seit Jahren jeden Tag mit diesen Problemen: Es gibt erhebliche Auslegungs-Probleme und die führen dazu, dass erwünschte Nutzungen nicht stattfinden, weil wir Juristen im Zweifel dann eben davon abraten müssen. Abgesehen davon, Open Access Compliant mit der Berlin Declaration ist es auch nicht.
>> Minute 18:39
So, weiter mit einer Aufgabe für Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Sie sehen auf der rechten Seite das Originalbild. Ich weiß auch nicht so recht, was das Original […], aber das ist das Originalbild vom Fotografen, so wie es auch bei Flickr eingestellt war und links sehen Sie das Bild, so wie es auf Deutschlandradio in diesem redaktionellen Zusammenhang veröffentlicht war. Können Sie erkennen, wo nun hier der Vorwurf gemacht werden kann? Jenseits dieser kommerziellen/nicht kommerziellen Verwendung. Was kann man hier als Fotograf noch dem Deutschlandradio vorwerfen? Und das ist tatsächlich das Original, also der originale Sachverhalt.
[Plenum antwortet]
Was könnte denn noch […]? Damit Sie nur mal sehen, woher man kommt und wohin das jetzt geht.
[Plenum antwortet]
Vollkommen richtig. Die Kollegin sagt: „Dieses Ausschneiden bei der Vergrößerung ist eine Bearbeitung“. Das ist richtig. Jetzt haben wir nur, aus Sicht des Deutschlandradios erfreulicherweise die Geschichte, dass die Lizenz ja war „CC BY Non Commercial“. Das heißt aber auch: „Bearbeitungen sind erlaubt“. Ansonsten […] die Bestimmung heißt „CC BY und ND“. Das hätte der Fotograf auch machen können, hat er aber gerade nicht gemacht. Weitere Vorschläge? Sie müssen etwas […] ausholen, aber das geht genau in das, was eben sehr wichtig ist. Gucken Sie nochmal aus der Sicht des Fotografen. Jemand meldet sich. Bitte? Plenum spricht.
Richtig. Also, nochmal zur Wiederholung […]: Es gibt eine sehr strenge Vorgabe, wie ich zu zitieren habe, nämlich genau so, wie es der Urheber möchte und angebracht hat. Und die Auflösung sehen Sie hier unten (zeigt auf das rechte Bild). Hier hatte nämlich der Fotograf, mit dem Copyright-Symbol, sein Urheber-Vermerk angebracht und das Deutschlandradio hat es zu diesem Copyright-Vermerk gemacht (zeigt auf das linke Bild), wie Sie hier unten sehen. Nach meinem unjuristischen Verständnis, meine Damen und Herren, hat das Deutschlandradio den Copyright-Vermerk eher vergrößert und deutlicher gestaltet. Also eigentlich, zunächst mal, vorbildlich […]. Aber, Sie erinnern sich, der Urhebervermerk muss genau so in dieser Form beibehalten werden, wie der Urheber das gemacht hat und möchte. Das heißt, Auflösung tatsächlich: Hier war der Copyright-Vermerk und der ist verändert worden. Das verstößt gegen eben diese Vorgabe, dass man genau so zu zitieren hat, wie der Urheber sein Urhebervermerk angebracht hatte und damit liegt ein Lizenzverstoß vor und jedenfalls bisher, wenn man gegen eine verstößt, gegen eine Vorgabe der CC-Lizenz verstößt, wird die komplette CC-Lizenz unwirksam, es kommt wieder zum Grundprinzip „All rights are reserved“ und das Ergebnis ist das Gleiche, nämlich die Rechtsverletzung liegt vor. Das heißt, viele der Fragen und der Sorgen auch, CC heißt „man muss nicht mehr genannt werden“ – nein, es ist genau andersrum. Ich empfinde es auch persönlich als Autor eine gute Möglichkeit genau anzugeben, wie ich zitiert werden möchte und ich weiß auch, dass ich das genau so durchsetzen kann.
<< Minute 23:56 – Ende
transcr. Laura Höpfl
Bibliographie
- Hartmann 2015 = Hartmann, Thomas (2015): Offene Lizenzen – ein Werkstattbericht zu den rechtlichen Herausforderungen im Jahr 2015 (Vortrag), in: Tagung "Offene Lizenzen in den Digitalen Geisteswissenschaften" (27./28. April 2015 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften) (Transkription von Minute 13:06 bis Minute 23:56). Link