ALM - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
ALMHÜTTE - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
Anke (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
„Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko
Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge 2011, 47)
(auct. Thomas Krefeld)
babeurre (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
baita - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Aus italianistischer Sicht schlägt DELI rom. baita, bait wahta vor – ohne jedoch das slow. bajta 'schlechtes Haus' einzugehen oder das alem. Beiz, bair. Boazn, Beisl 'Kneipe' zu berücksichtigen (der weit verbreitete Typ fehlt leider im SDS, im Idiotikon und im BSA); die genannten germanischen Formen mit ts, s können so nicht erklärt werden.
Aus germanistischer Sicht leitet Kluge 2011, 106 die alem. und bair. Formen aus jiddisch bajis 'Haus' bajit 'Haus' ab, was nicht zum rom. t passt (vgl. EWD I, 203). Direkte Vermittlung aus dem Hebräischen (ohne jidd. Vermittlung also) ist angesichts des großen Areals und des Bezugs zum bergbäuerlichen Alltag historisch wenig plausibel. Die Semantik der romanischen Formen ('Hütte, Almhütte, Stall' u.ähnl.) sowie die slowenischen Belege ('schlechtes Haus') liefern keine Motivationen für die Annahme einer großräumigen Verbreitung einer ursprünglich adstratalen Entlehnung aus dem friaulisch-slowenischen Kontaktgebiet; viel plausibler erscheint die substratale Entlehnung aus dem vorslawischen und vorgermanischen Altromanischen der Ostalpen. Letztlich scheint es sich um ein vorrömisches Alpenwort zu handeln.
(auct. Thomas Krefeld)
*barica (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
bassus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
brama (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
*brenta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Auf Karte visualisieren)
*brod (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
*brottiare (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
brousse (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
"D'apr. Brüch dans Z. rom. Philol. t. 35, p. 635, GAM. Rom.1t. 1, p. 369, t. 2, p. 38 et Gamillscheg dans Z. rom. Philol. t. 40, p. 148, ce groupe de mots est issu du got. *brǔkja « ce qui est brisé », dér. du got. gabruka « morceau » (FEIST, s.v. gabruka; KLUGE20, s.v. Brocken). E. Schüle dans Pat. Suisse rom., s.v. brochyè, estime au contraire qu'un terme got. peut difficilement s'être implanté dans le vocab. laitier des Alpes, et propose une base préromane *brottiare, d'orig. inconnue.” (TLFi).
(auct. Thomas Krefeld)
bruma - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
BUTTER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Allerdings scheint das Produkt nicht als Nahrungsmittel, sondern vielmehr als Pflege- und Heilmittel gedient zu haben. Columella († um 70 n. Chr.), der sich in seiner Abhandlung über die Landwirtschaft (Res rustica, 7. Buch, Kap. 8) recht ausführlich mit der Milchverarbeitung befasst (vgl. KÄSE), erwähnt sie in diesem Zusammenhang gerade nicht. Dagegen empfiehlt er die Behandlung chronischer (?) Schmerzen mit flüssiger Butter:
"Fere autem omnis dolor corporis, si sine vulnere est, recens melius fomentis discutitur; vetus uritur, et supra ustum butyrum vel caprina instillatur adeps." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 160).
In englischer Übersetzung:
"Almost all bodily pains, if there is no wound, can in their early stages be better dissipated by fomentation; in the advanced stage they are treated by cauterizations and the dropping of burnt butter or goat’s fat upon the place." (Columella 1941, Buch VI, Kap. XII, S. 161)
Die anderen zum Konzept BUTTER gehörigen Basistypen sind onomasiologisch interessant, da sie ganz unterschiedlich motiviert sind:
(auct. Thomas Krefeld)
butyru(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Beim Basistyp butyru(m) sind zwei Akzentvarianten zu unterscheiden:
- paroxytones lat. butӯru(m), auf das der ita. Typ butirro zurückgeht (vgl. DELI 179);
- lat. bútyru(m) mit von griech. βούτυ̅ρον ererbtem Initialakzent; daraus hat sich franz. altfra. bure bzw. neufra. beurre entwickelt. Dieser Typ wurde ins Italienische entlehnt und ergab auch standardita. burro (vgl. DELI 178).
Im Alpenraum scheint also der Typ butyrum die auf lat. unguere / *ungere 'schmieren' zurückgehenden Bezeichnungen weithin verdrängt zu haben.
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
cabane / capanna (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Die phonetischen Varianten dieses morpho-lexikalischen Typs lassen sich auf Grund der folgenden Kriterien zu Typen gruppieren:
(1) Varianz des Wortanlauts:
- [k-] erhalten; vgl. frz. cabane;
- [k-] palatalisiert:
- [k-] > [ts-]; vgl. frankoprov. tsˈăvănə
- [k-] > [tɕ-]; vgl. engadinisch chamanna;
- [k-] > [ʧ-]; vgl. frankoprov. ʧavˈaːna
- [-p-] erhalten; vgl. it. capanna;
- [-p-] geschwächt:
- - Sonorisierung [-p-] > [b-]; vgl. frz. cabane;
- - Sonorisierung und Spirantisierung [-p-] > [v-];
- - Sonorisierung [-p-] > [b-]; vgl. frz. cabane;
- [-a];
- [-ə];
- [-e];
- [-o].
(auct. Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
*cala (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
capănna(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
- vgl. ital. capanna; fra. cabane; roh. chamona.
(auct. Thomas Krefeld)
*cappellus (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
caput - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
caschiel (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
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caseāria - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
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caseolus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
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caseus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
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cautum - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
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cellārium - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Allerdings ist die Phonetik der alemannischen und bairischen Formen schwierig, da sie keinen Reflex der romanischen Palatalisierung des initialen [k-] zeigen. Dieses Problem stellt sich jedoch nicht nur für den süddeutschen, sondern für den gesamten frühen lateinisch-romanisch/deutschen Entlehnungsraum, wie das Nebeneinander der verschobenen (deu. Zwiebel cēpŭlla [REW 1820]) und unverschobenen Formen (deu. Kiste cĭsta 'Korb', deu. Wicke vĭcia) zeigen. Man beachte in diesem Zusammenhang auch den Flussnamen deu. Neckar Nicer (vgl. RE, XVII/1 und dKP, 4, 88), ohne jede Palatalisierung. Dieser Name wurde mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vor 260-280 n.Chr. entlehnt, da die rechtsrheinischen Gebiete der Germania superior, einschließlich des gesamten Neckarlaufs in dieser Zeit aufgegeben wurden; es ergibt sich damit also ein terminus post quem für die Palatalisierung im nordalpinen Imperium, oder vorsichtiger gesagt für ihre generelle Durchsetzung. Denn angesichts des grundsätzlich hohen Alters der romanischen Palatalisierung ist es nicht überzeugend, hier nur mit dem Zeitpunkt der Entlehnung zu argumentieren. Vielmehr sollte man damit rechnen, dass unverschobene, konservative und verschobene, innovative Varianten über einen langen Zeitraum im Frühromanischen nebeneinander bestanden. Man beachte, dass sich der Plosivs ja keineswegs nur im früh romanisierten, isolierten und recht weit entfernten Sardisch erhalten hat (vgl. die bekannten Beispiele wie sard. kentu 'hundert' centu[m] usw.), sondern auch im Dalmatischen existiert zu haben scheint – in diesem Fall ist die Entfernung zum Alpenromanischen nicht mehr sehr groß (vgl. dalmatisch kapula cēpŭlla [REW 1820]).
(auct. Thomas Krefeld)
clarus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
coagŭlum - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Das zunächst transitive Verb lat. coagulare 'zum Gerinnen bringen' wird seit dem 5. Jahrhundert auch intransitiv in der Bedeutung von ‘gerinnen’ benutzt. Es ist im gesamten romanischen Gebiet anzutreffen, wie beispielsweise frz. cailler, it. quagliare (vgl. FEW 2, 816-820, s.v. coagulare).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
colare - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
crama - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Der lexikalische Typ deu. Rahm wird hier ebenfalls zum Basistyp crama gestellt; es wird also auf Grundlage der alpinen Sprachkontaktverhältnisse eine neue Ableitung vorgeschlagen. Im Kluge 2011 wird die Wortgeschichte aus indogermanistischer Sicht folgendermaßen skizziert:
"Rahm S[.] m ‛Sahne’ std. (11. Jh.), mhd. roum, mndd. rōm(e)[.] Aus wg. *rauma- m. ‛Rahm’, auch in ae. rēam; im Ablaut dazu anord. rjúmi. Falls von *raugma- auszugehen ist, vergleicht sich avest. raoγna- n., raoγniiā- f. ‛Butter’. Weitere Herkunft unklar. Die neuhochdeutsche Form beruht auf einer Mundart, die mhd. ou zu ā entwickelt hat. Wo Rahm gegen Sahne semantisch differenziert wird, bezieht es sich eher auf den sauren Rahm. Präfixableitung: entrahmen; Partikelableitung: abrahmen. Hinweise[:] Ebenso nndl. room." (Kluge 2011, Online s.v. Rahm 1)
In diesem Ansatz werden die dialektalen Verhältnisse ausgeblendet; es muss jedoch berücksichtigt werden, dass im romanischen Alpenraum, und zwar unmittelbar südlich der germanisch-romanischen Sprachgrenze der Typ fra. crème | ita. crema gehören, weit verbeitet ist.
Die zugehörigen phonetischen Typen mit den Tonvokalvarianten [æ], [e], [o] und [a] führen ganz selbstverständlich auf eine gemeinsame Ausgangsform [a] zurück, denn die Hebung von betontem /a/ > [e] bzw. > [æ] in offener Silbe und die Rundung /a/ > [o] vor Labial sind vollkommen unauffällig. Es ergibt sich somit ein Basistyp crama, der ursprünglich wohl aus dem Gallischen (d.h. aus dem Keltischen) stammt (vgl. FEW 2, 1271-1274, s.v. crama); das Wort ist übrigens bei Venantius Fortunatus (*540-600/610) belegt, der in Valdobbiadene, d.h. am südöstlichen Alpenrand nördlich von Treviso geboren wurde. Es wäre nun wenig plausibel, das gemeinsame Areal der synonymen Typen von deu. Rahm und rom. crama aus einem zufälligen Zusammentreffen zu erklären. Vielmehr sollte der deutsche zum selben gallo-romanischen Basistyp geschlagen werden.
Die Reduktion des Anlauts lat.-rom. [kr-] > deu. [r-] ist im Zusammenhang damit zu sehen, dass "im d. h- vor Konsonant im 9. jh. schwindet" (FEW 16, 249, s.v. *hrokk), wie zahlreiche analoge Formen belegen. In der frühen Zeit des germ.-romanischen Sprachkontakts muss die Variante [hr-] noch existiert haben, denn fra. froc 'Kutte' kann nicht auf althochdeutsch roc, sondern nur auf hroc mit Substitution des laryngalen durch den labiodentalen Frikativ zurückgehen. So auch Kluge:
"Rock[.] Sm std. (9. Jh.), mhd. roc, rok, ahd. (h)roc, as. rok [.] Aus wg. *rukka- m. ‛Rock’, auch afr. rokk. Außergermanisch vergleicht sich air. rucht ‛Tunika’, kymr. rhuchen ‛Mantel’. Alles weitere ist unklar. Es besteht auch eine Variante mit Anlaut hr- in ahd. hroc, as. hroc, afr. hrokk, die vermutlich über das Französische zu Frack geführt hat. Hinweise[:] Ebenso nndl. rok." (Kluge 2011, Online s.v. Rock)
Ebenso erklärt sich das Nebeneinander von engl. horse neben deu. Ross germ. *hrussa (vgl. Kluge 2011, s.v. Ross und deu. röcheln neben nisl. hrygla ‛Rasseln in der Kehle’, lett. kraũkât ‛husten, Schleim auswerfen’ idg. *kruk- ‛schnarchen, röcheln, grunzen’ (vgl. Kluge 2011, s.v. röcheln).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
*crassia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Im Alpengebiet gehen aus diesem Basistyp vereinzelt Bezeichnungen für den RAHM, also den fetthaltigen Teil der Milch hervor.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
crŭsta - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)
*excŏcta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Man beachte jedoch, dass im Ladinischen zwei phonetische Typen koexistieren:
(a) mit anlautendem [ʃk-] (vgl. [ʃkota] in Livinallongo), wie auch in Friaul;
(b) mit anlautendem [tʃ-] (vgl. [tʃot(e)] im Rest der Sella-Ladinia).
Bei (b) scheint es sich um eine Rückentlehnung aus dem Südtiroler Bairischen zu handeln (vgl. EWD II, 199-200).
Der Basistyp ist jedoch in semantischer Hinsicht bemerkenswert, denn er liefert ein charakteristisches Beispiel metonymischer Polysemie: Er bezeichnet die beiden Produkte, die bei der Gerinnung der Milch bzw. der Molke durch Erhitzen und Auskochen (lat. EXCOQUERE) entstehen, nämlich die Flüssigkeit einerseits und die Käsemasse bzw. den Ziger und die aufsteigenden Eiweißteilchen andererseits (vgl. auch VALTS IV, 204).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
exsūctus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
flōs - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Ausgehend von 'Blüte' bezeichnet flōs oft den DEN BESTEN, SCHÖNSTEN TEIL EINER SACHE, so etwa in lat. flos aetatis ‘die Blüte der Jahre, die Jugendkraft, Jugendfülle’ (vgl. Georges, s.v. flōs), einem Ausdruck, der sich bis ins Romanische erhalten hat (wie in fra. la fleur de l´âge ‘die Jugend’; vgl. FEW, 3, 630-638, s.v. flōs). Ähnlich motiviert sind fra. fleur de la farine ‘la partie la plus fine de la farine’, ita. fior della farina, engadinisch flur d´farina oder schweizerdt. Blume (vgl. FEW, loc. cit.). Ebenfalls ausgehend von 'Blüte' erklären sich Bedeutungen, die mit der OBERFLÄCHE, dem HÖCHSTEN PUNKT von Dingen zu tun haben, wie in altfra., mittelfra. à fleur de ‘à la surface, au niveau de’.
Beide semantische Dimensionen ('gut' und 'oben') motivieren womöglich gemeinsam die Bezeichnung des Konzeptes RAHM, die sich bereits im Lateinischen entwickelte (flos lactis ‘Rahm’) und auch heute noch im Untersuchungsgebiet gut belegt ist (vgl. auch ita. fior di latte 'Rahm'). Dementsprechend sind auch Verben wie fra. défleurer oder neuokzitanisch sanflurá, sonflurá 'abrahmen' leicht zu verstehen (vgl. FEW, loc. cit.).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Gaden (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Das Wort ist als Neutrum seit althochdeutscher Zeit als gadum oder gadem belegt. Über ein Wort für 'lassen' oder 'freilassen' wird ein Zusammenhang mit Wörtern anderer indoeuropäischer Sprachen ein germanisches *ǵhə-t-mo- für ‛freier Raum, leerer Raum’ angesetzt (vgl. Kluge) 2011, online s.v. Gaden). Gaden bzw. Gadem hat schon im 19. Jahrhundert als veraltet gegolten, wie der Blick in Grimm'sche Wörterbuch zeigt. Zu dieser Zeit war das Wort noch sowohl als Neutrum als auch als Maskulinum vorhanden (vgl. DWB: s.v. Gadem).
(auct. Markus Kunzmann)
iŭncus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
KÄSE - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Vorbemerkung
Unter diesem Konzept werden ausschließlich die Milchprodukte zusammengefasst, die aus den Feststoffen bestehen, die sich bei der ersten Scheidung der Milch (auf Grund der Gerinnung) ergeben. Aus der ebenfalls entstehen Flüssigkeit (MOLKE) können durch ein zweite Gerinnung wiederum Feststoffe gewonnen werden, die ein käseähnliches Milchprodukt ergeben, das ital. als ricotta, alem. als Ziger und im Deutschen manchmal ein wenig irreführend als 'Molkenkäse' bezeichnet wird: Im Unterschied zum eigentlichen Käse enthält der ZIGER jedoch kein Kasein, sondern ein anderes Eiweiß (Albumin).Sachgeschichte
Im HLS wird darauf hingewiesen, dass die Käserei mit Lab, gemeint ist offensichtlich die Käseherstellung unter Zusatz eines Gerinnungsmittels (das nicht unbedingt dem tierischen Lab entsprechen muss) womöglich nicht überall in antiker Kontinuität steht: "Aus sprachwissenschaftl. Sicht (K. von lat. caseus) ist denkbar, dass die Römer die Kunst des Verkäsens von fetter Milch mit Lab zu einem haltbaren, gesalzenen Fettkäse gekannt und über die Alpen in die kelt. Gebiete gebracht haben. K. war bereits in der Antike ein alpines Exportprodukt Rätiens. Mit dem Rückzug der rom. Kultur verschwand im HochMA die Herstellung von Labkäse im alemann. Gebiet, doch blieben die Produktionskenntnisse in den rom. Gebieten wahrscheinlich erhalten. Quellen des 13. bis 14. Jh. aus dem Unterwallis und Greyerzerland weisen auf Fettkäseproduktion hin. Die archäolog. Untersuchung ma., alpiner Temporärsiedlungen (bisher v.a. Innerschweiz) brachte Einrichtungen zum Bereiten und Lagern des K.s zutage, so Unterlagen zum Käsepressen, nach Art der Trulli errichtete Milch- und Käsespeicher, Felsklüfte, die als Lagerräume gedient haben mochten. Auf Bergeten im glarner. Braunwald wurde ein Felskeller mit Wasserkühlung entdeckt. Unbekannt bleibt die Art des hier produzierten K.s." (Dominik Sauerländer/Anne-Marie Dubler). Dazu ist allerdings festzuhalten, dass es eine deutliche breitere und auch anders gelagerte sprachwissenschaftliche Evidenz für eventuelle Kontinuität gibt. Vor allem scheint es, als hätten die Römer ihrerseits bereits von vorrömischer Alpenbevölkerung spezielle Techniken der Milchverarbeitung übernommen. Offenkundig vorlateinisch sind die Bezeichnungen Senn, Ziger, Brente, Tomme. Eine andere Schicht ist lateinisch (Schotten, Gebse, Käse; vgl. Hubschmid 1951). Die Archäologie bestätigt mittlerweile das hohe Alter der alpinen Milchverarbeitung, denn sie liefert: "Belege einer eigentlichen Alpwirtschaft am Ende des 2. bzw. im frühen 1. Jahrtausend v.Chr." (Reitmaier 2016, 28; vgl. auch Carrer 2012 und Carrer et al. 2016).
Eine für die römische Milchverarbeitung und für einige einschlägige Bezeichnungen aufschlussreiche Stelle findet in der Historia naturalis des Plinius; nachdem die Milcharten unterschiedlicher Lebewesen (einschließlich des Menschen) angesprochen wurde, heißt es:
"[...] omne autem igne spissatur, frigore serescit. bubulum caseo fertilius quam caprinum, ex eadem mensura paene altero tanto. [...]
Coagulum hinnulei, leporis, haedi laudatum, praecipuum tamen dasypodis, quod et profluvio alvi medetur, unius utrimque dentatorum. mirum barbaras gentes quae lacte vivant ignorare aut spernere tot saeculis casei dotem, densantes id alioqui in acorem iucundum et pingue butyrum. spuma id est lactis concretior lentiorque quam quod serum vocatur; non omittendum in eo olei vim esse et barbaros omnes infantesque nostros ita ungui." (Plinius 1906, 11, 96, 238 f.)
"All milk is made thicker by fire and turned into whey by cold. Cow’s milk makes more cheese than goat’s milk, almost as much again from the same quantity. [...] The curds of the roebuck, hare and goat are praised, but that of the rabbit is the best, and is even a cure for diarrhoea—the rabbit is the only animal with teeth in both jaws that has this property. It is remarkable that the foreign races that live on milk for so many centuries have not known or have despised the blessing of cheese, at most condensing their milk into agreeable sour curds and fat butter. Butter is a foam of milk of thicker and stickier substance than what is called whey; it must be added that it possesses the quality of oil and is used for anointing by all foreigners and by ourselves in the case of children." (Plinius 1855)
Wir erfahren hier zunächst die besondere Wertschätzung der KUHMILCH (bubulum) für die Käseherstellung. Ferner wird caseus in Zusammenhang mit dem tierischen coagulum (vgl. coagŭlum) gebracht, bei dem es sich an dieser Stelle wohl nur um LAB handeln kann; caseus ist daher kein generischer Ausdruck für Milchprodukte, sondern für LABKÄSE. Caseus wird ja auch in Gegensatz zu acorem iucundum und butyrum gestellt – zu zwei Produkten, die charakteristisch für die barbaros (und damit nicht für die Römer) sind. Diese beiden Bezeichnungen sind nicht ganz klar; immerhin spricht nichts gegen eine Deutung von butyrum im Sinne von 'Butter'. Auf welche Art von Sauermilchprodukt sich dagegen acorem iucundum bezieht, bleibt ein wenig fraglich; der Gedanke an BUTTERMILCH liegt nahe. Schließlich nennt Plinius mit serum die Bezeichnung der MOLKE; entsprechende Kognaten sind im VA-Material in den piemontesischen Westalpen gut belegt.Ein detailliertere Beschreibung der Käseherstellung gibt Columella (7. Buch, Kap. 8); dort werden zusätzlich zum tierischen Lab auch pflanzliche Gerinnungsmittel (u.a. Färberdistel und Saft aus der Feigenbaumrinde), Gefäße (mulctra'Melkgefäß') sowie Körbe zum Formen (fiscella, calathus, crates) erwähnt. Vor allem beschreibt Columella jedoch wichtige Phasen des Käsens, insbesondere das Salzen, Pressen und Formen (s.u.). Er stellt auch den besonderen Wert des konservierbaren, reifen Käses heraus: "potest etiam trans maria permitti" ('er kann über das Meer verschickt werden'; 6).
Generische Bezeichnungen des Konzepts
Der im deutschsprachigen VA-Gebiet so gut wie ausschließlich geltende morpho-lexikalische Typ Käse geht zweifellos auf lat. caseus zurück, das im romanischsprachigen VA-Gebiet dagegen nur sehr wenige Fortsetzungen findet, nämlich im Dolomitenladinischen; weiter verbreitet, vor allem im Bündnerromanischen, sind Kognaten des lat. Diminutivs caseolus. Anstatt lat. caseus dominieren im romanischsprachigen VA-Gebiet einerseits das vorlateinische, wie es scheint gallische tuma in den französischen und frankoprovenzalischen Westalpen, sowie das lateinische formaticus, dessen unmissverständliche Motivation aus dem Partizip von lat. formare, darauf hinweist, dass es ursprünglich wohl eine spezifizierte Bezeichnung des geformten und reiferen Käses gewesen sein muss, die dann verallgemeinert wurde.Da dieser Typ im deutschsprachigen Raum vollkommen zu fehlen scheint, muss man annehmen, dass er sich im Romanischen erst verbreitet hat, nachdem der Sprachwechsel zum Deu. im nord- und ostalpinen Raum weitestgehend vollzogen war. Slow. sir 'Käse' setzt offenkundig die von Plinius genannte Bezeichnung der 'Molke', lat. serum, in metonymisch verschobener Bedeutung fort.
(auct. Thomas Krefeld)
LAB - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum)
lăcte(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Stephan Lücke)
mascarpa - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
‘masturbatore’ in Zusammenhang gebracht, was auf dem rekonstruierten Verb *manū scarpere ‘prendere con la mano, mit der Hand nehmen’ beruht, woraus wiederum mascherpa abgeleitet ist. Das DELI (3: 726) verwirft diese Möglichkeit mit Verweis auf die zeitliche Abfolge der Belege. Hubschmied 1936 schlägt eine andere Erklärung vor. Er führt das in der Lombardei, im östlichen Piemont und in den Provinzen Piacenza und Parma geltende mascarpa ‘Ziger’ auf gallischen Ursprung zurück. Ausgehend von dem keltischen Wortstamm skar- ‘trennen, scheiden’ rekonstruiert er *skarpā- im Sinne von ‘Trennung, Scheidung’. Da in vielen Sprachen die Verwandtschaftsbezeichnung für VATER und MUTTER bildlich auf ERZEUGER, URSACHE übertragen werden, so zum Beispiel in dt. der Wunsch ist oft der Vater des Gedankensoder lat. omnium malorum stultitia est mater und analog im Irischen mac ‘Sohn’ zur Bezeichnung des ERZEUGNISSES oder der HERKUNFT verwandt wird, zum Beispiel mac mallachtain ‘Teufel’ (lat. filius maledictionis), macc-alla ‘Echo’ – wörtlich ‘Sohn des Felsens’ – oder mac-órna ‘Whisky’, was wörtlich übersetzt ‘Sohn der Gerste’. Davon ausgehend stellt er die Hypothese auf, dass auch das Keltische über solche Wortbildungsverfahren verfügt hat und rekonstruiert ein gall. *mapo- bzw. *makko-, was dann *mapo-skarpābzw. *makko-skarpā ‘Sohn der Scheidung, Produkt der Scheidung’ ergeben haben könnte. Er stützt seine Annahme also onomasiologisch, denn der Ziger entsteht ja als Produkt aus der Scheidung der Molke in Flüssigkeit und verbliebene Feststoffe (vgl. Hubschmied 1936: 100-102). Aktuell bezeichnet lomb.mascarpón (vgl. Treccani eine typische Käsespezialität aus der Lombardei, die unter Zusatz süßer Sahne hergestellt wird und einen hohen Rahmgehalt hat. Ausgehend vom Lombardischen ist das Wort mit der Sache auch in andere italienische Mundarten gelangt (vgl. DELI 3: 726).
(auct. Myriam Abenthum)
mŭlgēre - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Ein Zusammenhang mit Malga liegt semantisch nahe, ist jedoch wegen des anderen Tonvokals phonetisch problematisch.
Das deu. melken geht – wie dann wohl auch lat. mulgere und griech.
ἀμέλγειν – laut Kluge, 614 auf ig. *melǵ- 'melken' zurück.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld | Stephan Lücke)
*nīta (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pannus - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pasteur / pastore (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
[p'astor] und [past'ore]
Die erste Form hat ihren Urspung in dem Kasus Rektus, die zweite in dem Obliquus. In einigen Gebieten sind beide Formen parallel in leichter semanitischen Differenzierung zu treffen.
VerbaAlpina charakterisiert einen morpho-lexikalischen Typ über folgende Kategorien: Genus, Suffix, Wortart. Daher ist die Zusammenfassung der genannten phonetischen Typen unter dem pasteur / pastore sinnvoll.
(auct. Aleksander Wiatr)
pellīcia - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Man beachte, dass die alemannischen Formen durchweg maskulin sind, während das romanische pleʧɑ 'Rahm' (im graubündnerischen Münstertal) feminines Genus aufweist und insofern dem fr. pelisse und it. pelliccia 'Pelz' entspricht (vgl. FEW, 8, 162-164, s.v. pĕllīceus). Bei den alemannischen Formen scheint es sich daher um sekundäre Entwicklungen einer im Genus bereits adaptierten Entlehnung des deu. Typs Pelz zu handeln (der natürlich letztlich auch auf lat. pĕllīceus zurückgeht; vgl. Kluge, 692) und nicht um Relikte aus dem lokalen romanischen Substrat, die ja im Genus eher dem genannten femninen pleʧɑ entsprechen müssten.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pĕllis - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
der TIERISCHEN HAUT zurück (vgl. Georges s.v. pĕllis). Im späteren Latein wurde seine Bedeutung dann auch auf die menschliche Haut erweitert, was die romanischen Sprachen fortgesetzt haben, wie etwa rum. piele, sp. piel, it. pelle, pg. pelle oder fr. peau. Weiterhin bezeichnet der romanische Typ dünne, flexible Schalen von Obst, Gemüse, Pflanzen etc. (vgl. FEW 8, 164-172, s.v. pĕllis). Die metaphorische Übertragung auf die Rahmschicht, die zwar auf der VerbaAlpina-Karte nur ganz sporadisch belegt ist, liegt eigentlich nahe (vgl. die semantisch ähnlich motivierten Typen pellīcia, *nīta und pannus).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
pinguĕ(m) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
*pinguia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Manche Bezeichnungen weisen im Stamm eine so auffällige lautliche Ähnlichkeit auf, dass man ihre Zusammengehörigkeit kaum in Frage stellen kann:
- (1) rom. pigna, mit den Tonvokalvarianten [ɪ, e, ɛ, a] u.a.;
- (2) slaw. pinja, ein offenkundiger Romanismus, da sich sein Verbreitungsgebiet an dasjenige von (1) anschließt;
- (3) rom. pinacc, eine suffigierte Form von (1);
- (4) rom. panaglia (mit Varianten des hier unbetonten, initialen Stammvokals, die den unter (1) genannten entsprechen); bei diesem Typ dominieren die Varianten mit dem unbetonten Stammvokal [a]
- (5) der auch im Standardita. bekannte Typ pignatta 'Topf' mitsamt seiner dialektal häufigen mask. Variante (vgl. AIS 973) ist ebenfalls zu (1) zu stellen; er ist zwar im VA-Gebiet eher in der Bedeutung 'Topf aus Terracotta' belegt (vgl. AIS 955), bezeichnet jedoch außerhalb des VA-Gebiets, nämlich in der Emilia-Romagna ausdrücklich einen Topf, in dem durch Schlagen (mit einem Holzlöffel u.a.) kleinere Mengen von Butter hergestellt werden (vgl. AIS 1206, Punkte 427, 453, 455).
- latte di pigna BUTTERMILCH, d.h. wörtlich 'Milch aus dem Butterfass' (im Trentino).
Allerdings kann die für ita. pignatta vorgeschlagene Rückführung auf ita. pigna 'Pinienzapfen' (pīnea[m]) – "prob. [...] per la somiglianza di forma delle più antiche pignatte con una pigna" (link) – semantisch nicht überzeugen; zwar mag die konische Form mancher Terracotta- und auch Bronzetöpfe durchaus an Pinienzapfen erinnern (vgl. DELI#). Aber ein für die Wortgeschichte entscheidender sachgeschichtlicher Hinweis lässt sich der bereits genannten AIS-Karte 955 LA PENTOLA (PIGNATTA) DI TERRACOTTA entnehmen: Sie enthält nämlich auch eine Liste mit Bezeichnungen des BRONZETOPFS (AIS 955_2), die insbesondere im alpinen Raum teilweise sekundär darauf übertragen wurden, da sie auf ein ganz anderes Material zu Herstellung von Kochtöpfen zurückgehen, nämlich auf den so genannten Speckstein, ita. laveggio, dt. auch Lavetz(stein) (vgl. AIS 963 Komm. LA MARMITTA, AIS 970 IL VASO PER LO STRUTTO) . Dieses vielseitig und wegen seiner geringen Härte vergleichsweise leicht nutzbare Material, das vor allem in den Tessiner und lombardischen Bergen abgebaut wurde, diente auch zur Fertigung von anderen Gegenständen, wie zum Beispiel von Öfen, die auf bündnerromanisch ebenfalls als pegna, engad. pigna bezeichnet werden (HWbR, 571; LRC, 798; zu pigna, pegna 'Ofen aus Speckstein' vgl. AIS 937, Kommentar); diese Öfen sind übrigens "annähernd kubisch" (AIS 937, Kommentar) und haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit einem Pinienzapfen.
Hier handelt es sich demnach um einen klaren Fall von metonymischer Polysemie (und nicht von Homonymie); pigna 'Ofen' und pigna 'Gefäss zum Butterschlagen' werden nach dem Material benannt, aus dem beide Dinge hergestellt wurden – dem Specksein. Es ist jedoch nicht unbedingt nötig, ein vorrömisches Etymon anzunehmen, wie Alexi Decurtins im LRC, 798#) für bündnerromanisch pegna | pigna 'Ofen' vorschlägt, sondern formal käme als Etymologie durchaus das von G. B. Pellegrini vorgeschlagene *pinguia (zu lat. pĭnguis 'fett') in Frage – allerdings nicht elliptisch aus pinguia(m) (ollam) im Sinne eines 'Gefäßes (= lat. olla) für Fett' ("Recipiente particolare per conservare il grasso, fosse esso strutto, sugna, o burro cotto, oppure un arnese elementare per fare il burro" ([1976, p. 171 zit. DELI 928]), sondern im Sinne eines hinsichtlich seines Aussehens und seiner Konsistenz fettähnlichlichen Minerals bzw. Gesteins (vgl. analog motiviertes deu. Speckstein). Als Basistyp für (1)-(5) wird daher lat. *pinguia (petra) 'Speckstein' vorgeschlagen.
Die vielen Formen mit Stammvokal [ ɐ, a] zeigen eine starke und onomasiologisch naheliegende Beeinflussung durch das etymologisch zu trennende panna 'Rahm'. Nicht zu diesem Typ gehört dagegen
(6) lombardisch pench, bündnerrom. paintg 'Butter',
die besser direkt auf pĭnguis 'fett' zurückgeführt wird (HR. Bei
(7) bündnerrom. penn 'Buttermilch'
könnte es sich immerhin um eine Rückbildung auf Basis von pigna 'Butterfass' handeln. Die Buttermilch wird ja daraus abgelassen.
Das folgende Schema zeigt die Wortfamilie (grüne Pfeile) sowie die belegten Bedeutungen (rote Pfeile).
Im Hinblick auf die metonymische Motivation der Polysemie lässt sich also die Übertragung der Bezeichnungen vom natürlichen Rohstoff auf daraus hergestellte Artefakte zunehmender Komplexität (einfaches Gefäß -> mechanisches Gerät) und schließlich auf die damit verbundene Funktion feststellen.
(auct. Thomas Krefeld)
*pinia (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Aleksander Wiatr)
*pisiāre (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
*puína (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Schmalz - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
In der Bedeutung ‘Butter’ wurde Schmalz auch ins Alpenromanische entlehnt; vgl. lad. smàlz entlehnt (EWD VI: 273-274).
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Schupf (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Die früheste bekannte Nennung dieses Wortes findet sich im Gotischen als skuft in der Bedeutung von 'Haupthaar' (vgl. Kluge) 2011, online s.v. Schopf), vgl. nhd. Schopf. Später kam es zu einer Bedeutungserweiterung im Sinne von 'zu einem Haufen zusammengetragene Garben, Heu' (vgl. Kluge 2011, online s.v. Schober), bevor eine Bedeutungsübertragung auf das Gebäude stattfand, in dem die Ernte getrocknet und gelagert wird. Das Wort existiert in anderen germanischen Sprachen in ähnlicher Bedeutung, z.B. altengl. scoppa (vgl. Köbler 2014b, s.v. scoppa), ags. scypen bzw. engl. (dialektal) shippen 'Stall' sowie engl. shop (vgl. DWB, s.v. Schuppen).
Im Alpenraum scheint nur das Slowenische diesen Worttyp für die Bezeichnung einer Scheune entlehnt zu haben (siehe Karte).
(auct. Markus Kunzmann)
seracium - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Dieser Basistyp geht auf eine spätlt. Ableitung zur Bezeichnung des Zigers von lt. sěrum ‘Molke’ mit -aceus zurück, die in Oberitalien, Savoyen und in der Schweiz zu verorten ist. Erhalten ist der Basistyp vor allem im Frankoprovenzalischen und Okzitanischen. Aus *sēraceum ging frprov. seraz hervor, was als sérac ins Französische einging. Die französische Schreibweise bewahrt das -c von *sēraceum einfach nur aus graphischen Gründen. Vom Französischen der Westschweiz wurde Rescherack ‘gesalzener Ziger’ ins Schweizerdeutsche entlehnt (vgl. FEW 11: 495; vgl. Id. VI: 1642; vgl. TLFi: s.v. “sérac”).
(auct. Myriam Abenthum)
*skūm (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
*skūm
Dieser Basistyp mit der Bedeutung ‘Schaum’ ist germanischen Ursprungs. Seine weitläufige Verbreitung weist auf Entlehnung aus dem Germanischen vor der Völkerwanderung hin. Ursprünglich bezeichnete das Wort die flüssige Seife, die die Römer von den Germanen kauften und von den Römern als spuma bezeichnet wurde. Bei Plinius wird das Wort aber auch zur Beschreibung von butyrum, wohl 'Butter', gebraucht (vgl. den Textauszug im Kommentar zum Konzept KÄSE). Deshalb liegt es nahe, das germanische Wort als Lehnübersetzung von lat. spuma zu sehen; durch den Kontakt mit dem lat. Ausdruck nahm ger. *skūm zu skuma auch das feminine Genus an. Daraus wurden dann fr. écume und it. schiuma entlehnt. Das afr.,mfr. escume ist für das 12. Jahrhundert mit der allgemeinen Bedeutung ‘Schaum, der sich auf Flüssigkeiten bildet, wenn man sie schüttelt, erhitzt oder wenn sie gären’ belegt (vgl. FEW 17: 137-140). Die spezifische Bedeutung 'Rahm' scheint typisch alpin zu sein.
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
*sponga (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Dieser Basistyp geht auf lat. spŏngia ‘Schwamm’ zurück, was aus gr. σπογγιά entlehnt wurde. Die jüngere Form *sponga ergab sich aus dem Einfluss von gr. σπόγγος. Dadurch wurde das Suffix -ia zu -a vereinfacht, das feminine Genus blieb erhalten. Aus *sponga wurden fr. éponge und it. spongia entlehnt. In Italien hat sich das Wort an der Ostküste von Süden nach Norden verbreitet, hat in der Poebene lat. spongia verdrängt. Auch an der Westküste hat es sich gen Norden verbreitet, konnte aber tosk. spugna spŏngia nicht beiseite drängen. Auf Kosten von spŏngia hat es sich auch im gesamten galloromanischen Gebiet verbreitet. Hier wird Mar-seille als Zentrum der Verbreitung vorgeschlagen, da das Wort mit der Sache aus Griechenland über den Handel mit Schwämmen kam und Marseille Hauptort für diesen Handel war (vgl. FEW 12: 208-209). Aus dem Veneto oder Trentino wurde das Wort ins Dolomitenladinische entlehnt (vgl. EWD VI: 395). Im Friaul wird mit diesem Typ in metaphorischer Verwendung auch die Butter bezeichnet (vgl. AIS 1207, 1208; vgl. ASLEF 3397), was damit erklärt werden könnte, dass sie in Form und Farbe einem Naturschwamm ähnelt. Beim Buttern trennt sich das Fett in Form von Butterkörnern von der Buttermilch ab. Nach dem Ablassen der Buttermilch wird das Butterkorn gewaschen und anschließend wird durch Kneten die restliche Flüssigkeit ausgedrückt (vgl. Mohr 1937: 379-380).
(auct. Myriam Abenthum)
srasa (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
Staffel (gem.) - Morpho-lexikalischer Typ (Auf Karte visualisieren)
tēla - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
tomme / toma (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
"tuma GA ['tuma], GE → etn., AL → etn., CA → etn., IS. → etn., PO → etn. ['tuma],['tumwa] f. prodotto caseoso che si ottiene rompendo la cagliata. 2. formaggio fresco non sottoposto a sterilizzazione nella scotta. 3. formaggio fresco, immerso direttamente nella scotta senza essere pressato nelle fiscelle.
Rotta la cagliata (→ quagghiata) nella → tina, la massa caseosa che precipita sul fondo e che viene raccolta (→ accampari, → arricampari) e sistemata a scolare nel → tavulìeri è ormai detta tuma. La tuma, poi, facoltativamente tagliata a cubetti, viene sistemata in fiscelle (→ ntumari, → ntumalora) perché possa scolare ulteriormente. Tuma è, inoltre, chiamato il formaggio che non viene sottoposta a sterilizzazione nella scotta (cfr. GE) e che generalmente viene consumato subito [...]
Etn[otesto]. GE [a Geraci; TK] a tuma un ci â d'èssiri misa nâ → vasceɖɖa, si ssi parra di tuma.
Trad. «la 'tuma' non va messa [raccolta] nelle fiscelle, se parliamo della 'tuma' ». [...]
Etn. IS [a Isnello, TK] a tuma jeni u prodottu che si ffa ppoi u → formàggiu
Trad. «La 'tuma' è il prodotto [la pasta caseosa] che [con cui] si fa il formaggio». [...]" (Sottile 2002, 168)
In Sizilien haben sich also beide Typen in ihren ursprünglichen und spezifischen Bedeutungen erhalten, die im Fall von fromaggiu sogar noch motiviert ist. Ebenfalls noch motiviert ist der siz. Diminutiv tumazzu (vgl. Sottile 2002, 168) der für zwar fest und geformte, aber daher auch reduzierte, eher kleine Käselaibe steht, wie die Produkte, die heute in Frankreich und in der Westschweiz als tomme vermarktet werden (vgl. die entsprechenden 'tipi morfo-lessicali' im Atlante linguistico della Sicilia – online).
(auct. Thomas Krefeld)
traire (roa.) - Morpho-lexikalischer Typ (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Thomas Krefeld)
ŬNCTU(M) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
Dieser Basistyp beruht auf lat. ŭnctum ‘Fett, Salbe’, welches das Partizip Perfekt des lat. Verbs ŭngere ‘schmieren’ ist und mittels Substantivierung die Bedeutung ‘das Fette’ erhielt. Gleichzeitig bedeutete es ab dem 2. Jahrhundert auch noch ‘Salbe’. Beide Bedeutungen finden sich noch heute. ‘Salbe’ ist in it. unto, piem. oit ‘Salbe’ erhalten. Zu dieser Basis gehören aber auch rum. unt oder frl. ont mit der Bedeutung ‘Butter’ (vgl. FEW 14: 29-30; vgl. REW: 9057). Der Basistyp ancho dürfte laut Kluge (2012: 437) über die idg. *ongw en- ‛Salbe, Fett, Butter’ mit dem Basistypen ŭnctum urverwandt sein.
Zu Grunde liegt lat. ŭnctum 'Fett', eine Ableitung vom Verb lat. ŭngere 'schmieren'. Zu dieser Basis, vgl. REW, 2075 gehört auch rum. unt 'Butter'. Der Basistyp ancho dürfte urverwandt sein; alpine Entlehnung scheint die beiden Typen jedoch nicht zu verbinden.
(auct. Myriam Abenthum)
*ungere (* = rekonstruiert) - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)
unguere - Basistyp (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
„Anke(n), (durch Butter ersetzt) Sm ‛Butter’ per. wobd. (8. Jh.), mhd. anke, ahd. anko
Obwohl nur das Deutsche das Wort bewahrt hat, ist g. *ankwōn m. ‛Fett, Butter’ vorauszusetzen, als Fortsetzer eines ig. (weur.) *ongwen- ‛Salbe, Fett, Butter’ (in verschiedenen Ablautstufen), vgl. l. unguen n. ‛Fett, Salbe’, air. imb ‛Butter’ (*ṇgwen-) zur Verbalwurzel ig. *ongw- ‛salben’ in ai. anákti, l. unguere u.a. Also ursprünglich ‛Salbe, Schmiere’.“ (Kluge 2011, 47)
Hier wird einerseits ein einleuchtender Zusammenhang offengelegt; andererseits wird daraus jedoch ein unwahrscheinlicher wortgeschichtlicher Schluss gezogen: Kluge interpretiert das Wort als isoliertes indogermanisches Relikt, obwohl es doch viel näher läge diesen südwestdeutschen (alemannischen) Typ aus dem Lateinisch-Romanischen zu erklären. Die erwähnte lateinische Basis mit dem Velar ist zwar im unmittelbar angrenzenden romanischen Kontaktgebiet durch die Variante *ŭngĕre (REW 9069) verdrängt worden, wie an der Palatalisierung des g in surs. unscher, eng. uondscher, ita. ungere u.a. (vgl. HWbR, 971) zu erkennen ist. Im heute französischen Gebiet herrschen jedoch Kognaten von lat. ŭnguĕre (vgl. FEW 14, 36 f.); darunter sind auch Formen mit eindeutigem semantischen Bezug zur Milchverarbeitung, wie ogner 'donner son lait | Milch geben' (mit Wechsel der Konjugationsklasse) und ogna 'quantité de lait que donne une vache en une fois | Menge Milch, die eine Kuh auf ein Mal gibt'. Aus dem Partizip unctum ist im Übrigen die im romanischsprachigen Teil des VA-Gebiet gut belegte friaul. Bezeichnung der BUTTER ont, lad. onto, vonto (vgl. rum. unt) geworden. Die hiermit vorgeschlagene Entlehnung aus dem Lateinisch-Romanischen ist lautlich möglich und semantisch selbstverständlich, wenn man an die zahlreichen anderen Romanismen in diesem onomasiologischen Bereich denkt. Im Hinblick auf die viel weitere Verbreitung des Typs butyru(m) liegt es weiterhin nahe, in den aus den Verbvarianten ŭnguĕre, *ŭngĕre abgeleiteten Bezeichnungen einen älteren Typ zu sehen, der später durch butyru(m) überlagert wurde.
(auct. Thomas Krefeld)
ZIGER - Konzept (Zitieren) (Auf Karte visualisieren)
(auct. Myriam Abenthum | Thomas Krefeld)